Ein Leben im Rhythmus der Straße
Valencia, Spanien – es ist kalt. Zwischen Eile und Ignoranz sitzt Jonathan Mansfield an der Gitarre. Ein Ton erklingt – niemand bemerkt ihn. Der zweite Ton. Der Hut vor ihm bleibt leer. Der dritte Ton. Seine Hände kribbeln vor Aufregung. Endlich bleiben die ersten Menschen stehen. „Auch wenn man es schon jahrelang macht – es ist immer aufregend.“ Der Hut beginnt sich zu füllen. Kinder zeigen mit einem breiten Lächeln auf ihn. „Es ist ein schönes Gefühl.“
Mit der Gitarre von seinem Vater spielt er das ersten Mal in Zeebrugge, Belgien. „Es war aufregend“, sagt er. „Wir sind vom Boot runtergestiegen und wussten nicht mal, in welchem Land wir waren.“ Der Engländer Jonathan Mansfield und Mark, ein alter Schulfreund, fragen Passanten, wo sie seien. „Zeebrugge“, antwortete einer. „Zeebrugge…, das hört sich irgendwie deutsch an.“, dachten sie. Wie sich herausstellte, waren sie in Belgien.
„In Blankenberge, einem kleinen Nebenort, habe ich zum ersten Mal in meinem Leben Straßenmusik gemacht – bis die Polizei kam.“ Eigentlich wollte er Schauspieler werden und in der Zeit nach dem Abitur, bis sie sich an einer Uni bewerben konnten, etwas Lebenserfahrung sammeln. „Wir sind dann irgendwann in Spanien gelandet und haben dort noch etwas musiziert.“
Zurück in England stellten sie fest, dass sie das Immatrikulationsdatum verpasst hatten. Das fand Jonathan Mansfield aber nicht schlimm: „Dann machen wir das einfach nächstes Jahr“, dachte er. „Ich bin dann nach Israel gefahren – und habe natürlich nochmal das Immatrikulationsdatum verpasst.“
In Israel merkte er zum ersten Mal, dass man von Straßenmusik nicht nur überleben, sondern richtig leben kann. Seitdem war Jonathan Mansfield in den meisten europäischen Ländern unterwegs, außerdem in Israel und Ägypten. Die Straßenmusik brachte ihm nicht nur ein Einkommen, sondern auch besondere Begegnungen. „Eine Zigeunerfrau in Marseille, Südfrankreich, hat richtig geweint – vor Freude, weil sie das so schön fand.“
Doch es gibt auch schwierige Momente. „Ich kam im ersten Golfkrieg nicht aus Tel Aviv, Israel, raus. Irak hat Israel bombardiert, und es flogen kaum noch Flugzeuge aus Israel raus.“ Viele wollten das Land verlassen, und die Maschinen waren voll. Jonathan Mansfield musste sehr lange auf ein freies Flugticket warten. „Es war schwer, im Krieg auf der Straße Musik zu machen, weil nicht mehr viele Menschen nach draußen gingen – doch irgendwie musste ich mir das Flugticket leisten können.“ Schließlich hat er genug Geld gespart und es geschafft einen freien Platz in einem Flugzeug nach Paris zu bekommen. „Das war wirklich die gefährlichste Zeit – ich hatte richtig Angst.“
Meistens merkte er, wenn es an einem Ort nicht gut war zu spielen und zog einfach weiter. „Das ist das Schöne mit Straßenmusik: Wenn es an einem Ort nicht funktioniert, kann man einfach woanders hin.“
Im Winter zog es ihn meist nach Spanien, ins Warme. Doch auch dort war es nicht immer leicht. Es gab eine Zeit, in der es zwei Wochen lang durchgehend geregnet hat. „Da habe ich auch gezweifelt, ob ich – damals noch mit meinem LKW – genug Geld haben werde, um mir Sprit zu kaufen, damit ich wegkomme.“ An einem regenfreien Nachmittag verdiente er schließlich genug Geld, um Valencia, Spanien zu verlassen.
Doch Regen ist nicht das einzige Problem, das Straßenmusiker haben. „In vielen Städten sind die Regeln nicht fair, sodass man kaum von Straßenmusik leben kann.“ Er hat oft erlebt, dass in Städten wie Manchester, seiner Heimatstadt, die Straßenmusik fast verboten wird. Es gibt zwar zulässige Bereiche, doch deren Lage ist oft so ungünstig, dass man dort kaum Geld verdient. „Ganz oft gibt es in Städten mit ungünstigen Regelungen keine guten Straßenmusiker – weil man von dem, was man einnimmt, nicht leben kann.“
Jonathan Mansfield kann gar nicht zählen, wie oft er schon weggeschickt wurde. „Ich meine, man versucht immer, sich an die Regeln zu halten – zumindest so gut es geht – und nicht dorthin zu fahren, wo es kompliziert ist.“ Wenn man von Straßenmusik leben möchte, reicht es nicht, wenn Menschen nur vorbeilaufen. „Man muss die Leute mindestens zwei bis drei Minuten bei sich behalten, sodass sich eine Traube bildet.“ Doch wenn das passiert, entstehen manchmal andere Probleme: „Man blockiert zum Beispiel Wege, und Rollstuhlfahrer kommen nicht mehr durch.“
Es gibt ein paar bewährte Klassiker, zu denen Jonathan Mansfield immer griff, wenn er eine Menschenmenge anziehen wollte – Stücke, die zuverlässig Aufmerksamkeit erzeugten. Besonders beliebt waren Lieder wie „Guitar Man“ von David Bates, „Piano Man“ von Billy Joel oder „One Man Band“ von David Courtney und Leo Sayer.
Neben Covers schreibt Jonathan Mansfield auch eigene Lieder, von denen er CDs verkauft hat. „Mit meinen CDs habe ich das meiste Geld eingenommen.“ Doch heute haben nur noch wenige Menschen CD-Spieler zu Hause. „Meine Haupteinnahmequelle ist verloren gegangen – und das Einzige, was bleibt, ist das Geld im Hut. Man kann noch davon leben, aber es ist nicht mehr so wie früher.“
Daher hat er sich langsam von der Straßenmusik entfernt – und denkt ohne Reue an diese Zeit zurück. „Man macht Leute glücklich und es ist toll, wenn man so Geld verdienen kann.“
Leila Mansfield, Klasse 8d, Friedrich-Ludwig-Jahn-Gymnasium Salzwedel